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Mitgliedermodelle im Bioladen: Eine Chance für mehr Kund:innenbindung?
Welche Vorteile bieten Mitgliederläden gegenüber klassischen inhaber:innengeführten Läden? Was braucht es, um einen Mitgliederladen erfolgreich aufzubauen? Und welche Hürden gilt es zu beachten? Am 17. Januar haben wir diese und weitere Fragen bei unserem Bioladen-Netzwerk im Stadtbüro in Leipzig besprochen.
In Städten wie Dresden, Weimar und auch Leipzig existieren bereits funktionierende Mitgliederläden. Um herauszufinden, welche Überlegungen und Konzepte hinter diesen Mitgliedermodellen stehen und das bestehende Wissen an interessierte Läden weiterzugeben, haben wir die VG Dresden, die EVG Weimar und die schwarzwurzel als Best-Practise-Beispiele zum Austausch ins Stadtbüro eingeladen.
Mit über 10.000 Mitgliedern ist die seit 1991 bestehende VG Dresden die größte und auch älteste Verbrauchergemeinschaft der drei anwesenden Mitgliederläden. Jonathan Kirchner berichtet uns in einem kleinen Impuls, dass die VG mit dem stetigen Wachstum 2005 ihre Organisationsform von einem Verein in eine Genossenschaft umgewandelt hat. Seitdem ist die VG weitergewachsen und führt jetzt, im Jahr 2023, bereits sieben Märkte, vier Bistros und einen Naturwarenladen im Dresdner Stadtgebiet. Seit 2009 werden Waren über ein Zwei-Preis-Modell sowohl an Mitglieder als auch an Nicht-Mitglieder verkauft. Mitglieder zahlen im Laden einen reduzierten Preis, Nicht-Mitgliedern werden die Produkte zu gängige Bioladenpreisen angeboten.
Auch die 1999 gegründete EVG Weimar hat sich zunächst für ein Zwei-Preis-Modell entschieden, um neben Mitgliedern auch Nicht-Mitglieder das Einkaufen in ihren zwei Läden zu ermöglichen. In ihrem Laden in der Weimarer Innenstadt, in dem zwei Drittel der Einkäufe von Nicht-Mitgliedern getätigt werden, hat das Zwei-Preis-Modell immer wieder für Verwirrungen gesorgt. Daher hat sich die EVG für diesen Laden entschieden, eine Pauschalpreis für alle Einkaufenden festzulegen. In ihrem Laden im Viertel Kirschberg besteht das Zwei-Preis-Modell dagegen weiterhin, da hier mehrheitlich Mitglieder einkaufen.
In der schwarzwurzel im Leipziger Stadtteil Lindenau wird auch auf ein Zwei-Preis-Modell gesetzt. Bezogen auf den Umsatz machen die Einkäufe von Nicht-Mitgliedern etwa 20% aus, 80% des Umsatzes entfallen auf Mitgliedereinkäufe. Mit aktuell rund 700 erwachsenen Mitgliedern ist die schwarzwurzel der kleinste Mitgliederladen in der Runde. Anders als VG Dresden und EVG Weimar hat sich die schwarzwurzel bewusst gegen ein bedarfsorientiertes Wachstum (der Wunsch nach einem weiteren Laden wird immer wieder von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern geäußert) entschieden, da sie das familiäre Umfeld schätzen. Und auch in der Organisationsform unterscheidet sich die schwarzwurzel von den anderen beiden Best-Practise-Beispielen. Die schwarzwurzel ist kollektiv organisiert und hat keine Genossenschaft gegründet. Das heißt, es gibt keinen Vorstand, keinen Aufsichtsrat und auch keine Verwaltung, sondern ein hierarchiearmes Zusammenarbeiten im Kollektiv.
Sowohl in den Impulsen als auch im anschließenden Gespräch wurde deutlich, dass ein funktionierendes Modell sich nicht einfach auf eine andere Stadt oder den eigenen Laden übertragen lässt. Die Mitgliedermodelle sind über die Jahre und mit den örtlichen Gegebenheiten gewachsen. Wollen Läden ihre Strukturen umstellen und einen Mitgliederladen gründen, müssen immer die Ausgangssituation und die Bedarfe vor Ort angeschaut werden. Es wurde außerdem festgehalten, dass sich der Anteil von Mitglieder-Käufen und Einkäufen von Nicht-Mitgliedern auf die Preisgestaltung auswirken. Am Beispiel von Weimars Innenstadtladen wird deutlich, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob das Geschäft in einer A-Lage viel Laufkundschaft wie z.B. Tourist:innen anzieht oder hauptsächlichen von Mitgliedern genutzt wird.
Hervorgehoben wurde zudem die besondere Kundenbindung von Läden mit Mitgliedermodellen. Mitglieder haben Mitbestimmungsrechte und können sich einbringen. Über Newsletter oder auch Plakate im Laden können Mitglieder direkt angesprochen werden, was die Kommunikation erleichtert. Auch in Krisenzeiten oder bei größeren Investitionen können Läden mit Mitgliedermodellen häufig auf die Hilfsbereitschaft und das Engagement ihrer Mitglieder setzen.
Bei der Umstellung auf ein Mitgliedermodell oder der Gründung eines Mitgliederladens sollte in jedem Fall daran gedacht werden, dass ein organisatorischer Aufwand entsteht. Es müssen z.B. Eintritte, Austritte, Wohnortswechsel etc. verwaltet werden. Es braucht idealerweise eine klare und zuverlässige Struktur für Abrechnungen und Kontrolle von Mitgliedsbeiträgen, um die Einnahmen im Blick zu haben. Zudem muss bedacht werden, dass Mitgliedsbeiträge anders als Einkäufe mit 19% Mehrwertsteuer besteuert werden. Vielleicht lohnt es sich für bestehende Läden zunächst ein Bonusmodell einzuführen, um sich an den Schritt der Umstellung auf ein Mitgliedermodell einzustellen, oder zu testen, ob das System funktioniert.
Wo sich alle einig waren, ist, dass es für den Aufbau eines Mitgliederladens in jedem Fall Menschen braucht, die eine Startenergie geben und Lust haben, eine größere Mitgliederstruktur aufzubauen.